Es begann in einer Winternacht

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Kapitel 1 der Teufelsmoor Saga beginnt in einer Winternacht im Jahre 1854. Das Königreich Hannover war dem Preußischen Zollverein beigetreten, an den Flüssen und Kanälen wurden die Zollstellen verstärkt und die Konflikte zwischen den Moorbauern und den Zöllnern nahmen zu. Geschmuggelt wurden im Wesentlichen die teuren und begehrten Genussmittel, die mit hohen Zollabgaben belegt waren. Je höher die Abgaben wurden, um so intensiver wurde geschmuggelt. Einige Moorbauern sollen sich einen doppelten Boden in den Torfkahn gebaut haben oder man die Spanten der Schiffe ausgehöhlt.

Das RIsiko bei einer Zollkontrolle aufzufallen, war hoch. Bei kleineren Vergehen wurden 10% zusätzliche Abgabe auf den Warenwert fällig. War der Versuch des Schmuggelns auffallend dreist, wurden Schiffe beschlagnahmt und erst nach dem Bezahlen einer hohen Strafe freigegeben. Diese Risiken riefen professionelle Schmuggler auf den Plan, die mit immer neuen Ideen die Zollstellen umgingen.

Auf den Routen der Torfkahnfahrer, die Brenntorf nach Bremen schafften, war das Schmuggeln riskant, denn ein Ausweichen der Schiffe war in den engen Kanälen nicht möglich. Sogar die Flüsse boten dazu kaum Gelegeneheit. Darum versuchten die wagemutigen Schmuggler, die Begegnung mit den Zöllnern während der winterlichen Überschwemmungen zu umgehen.

Die Schleuse an der Hamme in Ritterhude gab es damals nicht und bei Strumflut traten die Flüsse bis weit in das Binnenland über die Ufer. Weite Gebiete des Teufelsmoores überfluteten regelmäßig. Die Kälte, das eisige Wasser und der Wind sorgten für tragische Unfälle und nicht selten kam ein Schmuggler ums Leben. 

Die Geschichte der Teufelsmoorsaga beginnt in einer WInternachtmit mit einer überraschenden Begegnung. Ein Torfkahnfahrer und Schmuggler ohne Identität beginnt sich gegen die Obrigkeit aufzulehnen. Einige unglückliche Zufälle und Missverständnisse kamen hinzu und schließlich gerät die Konfrontation zwischen dem unbekannten Schmuggler und einem ehrgeizigen Amtmann der Regierung außer Kontrolle. Damit begann die Legende vom Roten Gerd.   

 


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Die Begegnung

Anno 1855

Vor langer Zeit im Teufelsmoor … Das Königreich Hannover war dem Deutschen Zollverein beigetreten. In den entfernten Moorgebieten wurden die Kontrollen härter und die Abgaben höher. Kaum waren die Moorbauern der ersten Not entkommen, versuchten sie, sich durch  Schmuggel gegen die
neuen Abgaben zu wehren. Aber nur ein Mann stemmte sich mit aller Kraft gegen die Macht der  Zöllner.

Es begann in einer Winternacht 1854, ein Jahr zuvor.


Haaaalt, anhaaaaalten!« Die Stimme aus der Dunkelheit überschlug sich fast. Selten war dem Mann auf dem Torfkahn der Schreck derart in die Glieder gefahren. Nicht, dass die hünenhafte Gestalt Angst gekannt hätte, aber hier? Kommandos aus dem Nichts, mitten in der Wildnis, nachts und völlig unvermittelt?
Das Ruder schlug zur Seite und das schlanke Schiff stieß gegen das Ufer des Torfkanals am Ausgang zum Blockland. Der Mann mit den roten Haaren fluchte und schaute auf. Erst jetzt bemerkte er die beiden Uniformierten. Zwar bedrohten sie ihn nicht direkt mit ihren Waffen, die Pistolen trugen sie jedoch griffbereit und nicht weit entfernt lag ihr Dienstboot. In der mondhellen Nacht wirkte die Situation gespenstisch.
»Was wollt Ihr hier draußen und zu dieser Stunde?« Der Mann im Torfkahn ergriff die Initiative, denn er war es nicht gewohnt, auf Befehle zu hören. Während der vielen Jahre, die er im Teufelsmoor als Schmuggler und Händler unterwegs war, hätten weder er noch sonst jemand von einer Kontrolle dieser Art berichten können. Er beschloss, dem Problem sofort ein Ende zu setzen. Die Gelegenheit kam schneller als gedacht, denn vom Ufer her wurde gerufen: »Was habt Ihr geladen und wohin geht Euer Weg?«
Der Händler beugte sich am Mast hinunter zu einer Halterung, an der ein Tau befestigt war. Er griff in eine kleine Kiste und hakte etwas an die Halteleine, die er schlagartig losließ. Mit einem Ruck fiel das Segel wie ein Blitz herab und gleichzeitig schoss auf der anderen Seite zitternd eine Art weiße Schlange in die Höhe. Oben angekommen öffnete der Wind den eben noch gewickelten Stoff und trieb ihn über das Schiff als große Fahne hinaus. Darauf standen in blutroter Schrift die Buchstaben R’G.
Die abergläubischen Männer knickten vor Schreck ein. Sie schauten mit starrem Blick nach oben, um zu verstehen, was da gerade passierte. Zwei dumpfe Schläge und sie fielen benommen auf den kalten Moorboden. Zu spät begriffen sie, dass sie sich mit dem Falschen angelegt hatten.
Der Mann fesselte die beiden Störenfriede an den Händen und schleifte sie zu ihrem kleinen Boot. Zusammengesunken saßen sie nun auf der Ruderbank. Er stand in seinen schweren Stiefeln vor ihnen, einen Fuß auf die Bordwand gestützt, und beugte sich zu den Gefangenen hinunter. Sein außerordentlich höflicher Ton unterschied sich deutlich von der sonst oft rauen Umgangssprache im Moor: »Werte Herren, was treibt Ihr hier?«
Nie zuvor waren die Männer mit einer derartigen Höflichkeit angesprochen worden. Sie schwiegen etwas beschämt und der Torfkahnfahrer, der aus einer anderen Welt zu kommen schien, fuhr fort: »Was steht Ihr hier mitten im Winter in der Kälte herum? Am Ausgang des Torfkanals von Bremen ins Teufelsmoor? Was sind das für Uniformen, die Ihr tragt, und warum bedroht Ihr mich mit Euren Waffen?«
Der Wind schob die Wolken fort und der Mond warf sein kaltes Licht auf die winterliche Landschaft. Über den beiden Booten wehte die lange Fahne und nur das Flattern des Stoffes durchbrach die Stille. Der Rothaarige beugte sich tiefer herab und schaute seinen Gefangenen direkt in die Augen.
»Wer seid Ihr?«, fragte er noch einmal.
Doch die Männer schwiegen beharrlich! Jetzt nahm der Schiffer die Pistolen an sich und brüllte die Uniformierten mit furchtein¬flößend tiefer Stimme an.
»Also noch einmal, warum seid Ihr hier?«
»Wir sind Beamte aus der neuen Zollstelle am Torfhafen in Bremen. Es ist unsere Aufgabe zu ermitteln, wer hier fährt und welche Waren transportiert werden. Die Königliche Regierung in Hannover hat einen Amtmann bestellt, der den Aufbau der neuen Kontrollpunkte im Teufelsmoor überwacht.«
»Was ist in den Kisten?«
»Das sind Waren, die wir anderen Schiffern abgenommen haben«, sagte der eine Uniformierte mit kleinlauter Stimme. »Wir handeln nach Recht und Gesetz! Sie hatten dafür in Bremen keinen Zoll bezahlt.« Der Dominanz des strengen Bootsführers hatten sie nichts entgegenzusetzen.
»Nun, dann lasst Euch sagen, dass im Teufelsmoor meine Gesetze gelten. Ich nehme diese Waren jetzt mit. Euch erlaube ich die Rückfahrt, damit Ihr dem Königlichen ›Amtsdingsda‹, diesem Beamten, sagen könnt, er soll das Teufelsmoor vergessen. Hier brauchen wir Eure Gesetze nicht.«
Eine Antwort wartete er nicht ab, entsicherte eine der Pistolen, schnitt den Beamten die Fesseln durch und befahl ihnen, die Pakete auf sein Schiff umzuladen. Dabei wirkte die auf sie gerichtete Waffe Wunder. Alle Kisten waren flott verstaut und die beiden Pech¬vögel durften abfahren.
Mit den Rudern stakten sie ihren Kahn durch den Kanal zurück nach Bremen, wo sie den Vorfall sogleich dem Amtmann meldeten. Noch ganz unter Schock des ungeheuerlichen Vorfalls stehend begann einer der Beamten in der Bremer Zollstelle mit überzeugender Stimme zu berichten: »Amtmann, unsere Waffen sind bei einer Kontrolle verloren gegangen, zu beschlagnahmen gab es auch nichts. Überhaupt sind diese Moorbauern allesamt üble und dazu gewalttätige Schmuggler und wir sagen Euch, die kümmern sich einen Torf um unsere Vorschriften!«
Noch bevor der Amtmann etwas entgegnen konnte, begann der andere Zöllner sich zu rechtfertigen: »Amtmann, das wird nix mit dem Zoll im Moor! Die Moorbauern gehorchen nicht wie die braven Preußen! Das könnt Ihr uns glauben. Wenn Ihr einmal ins Moor kommt, werdet Ihr das schon merken, die haben ihre eigenen Gesetze.«
Der bunt uniformierte Amtsleiter saß am Tisch in der Zoll¬stube, vor sich ein Blatt Papier und die Feder zum Schreiben in der Hand. Er zögerte! Was sollte er denn nun notieren? Wirklich erzählt hatten die beiden Männer nichts. Darum ließ er nach kurzem Überlegen den Federkiel fallen, schob das Papier zur Seite und dachte: Die lügen doch beide! Das ist kein Fall, es gibt keinen Bericht, keine Akte und damit auch keine Blamage! Er wandte sich den Beamten zu, die mit hängendem Kopf vor ihm standen.
»Was Ihr feigen Gesellen Euch geleistet habt, ist abgrundtief peinlich. Heute will ich gnädig sein und schreibe keinen Bericht. Wer über den Vorfall redet, wird degradiert, ist das klar?«
Seine Untergebenen atmeten auf und schworen, kein Sterbenswörtchen verlauten zu lassen.

Genau jetzt wurde der Zeitpunkt verpasst, eine Warnung über den Widerstand im Moor an die Königliche Regierung nach Hannover zu senden.
Das traumatische Erlebnis hatte die beiden Zöllner verändert. Doch es fiel ihnen täglich schwerer, den Mund zu halten. Wenige Tage später plapperten sie bereits in den Kneipen über ihre unheimliche Begegnung und wie sie heldenhaft einen wilden Kerl vertrieben hätten. Je öfter sie ihre Geschichte erzählten, umso fantasievoller wurde sie ausgeschmückt, das Teufelsmoor gruseliger, der »Geistermann« unheimlicher und ihre Taten heldenhafter.
Während der Amtmann immer noch darüber nachdachte, einen Bericht zu verfassen, hatte der rabiate Torfkahnfahrer die Fahne eingeholt und hievte gleichzeitig mit dem Segel einen Stein am Mast in die Höhe. Doch weshalb beschäftigte sich der rätselhafte Mann mit diesen Spielereien, die ein normales Torfschiff nicht brauchte?
Das dünne Eis am Ufer knisterte beim Ablegen. Der Westwind schlug in das Segel und der Unbekannte fuhr auf das überschwemmte Blockland in Richtung Hamme bis in das weite Teufelsmoor, wo die dunklen Baumreihen am Horizont das Segel verschluckten. Nur der Wind blieb flüsternd zurück und weil keine Akte der Regierung den Vorfall erwähnte, geriet er in Vergessenheit.



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